«Wir ziehen das durch»
1,6 Kilometer Kantonsstrasse in drei Tagen zu sanieren, ist ein ambitioniertes Vorhaben. 2400 Tonnen Asphalt an einem einzigen Einbautag zu liefern, ein gewaltiges Unterfangen. In die Realität umgesetzt haben es der Kanton Thurgau und Bauunternehmen zwischen Egnach und Salmsach. Eine aussergewöhnliche Leistung, die das Prädikat «rekordverdächtig» verdient.

«Es ist ein völlig neues Fahrgefühl!» Patrick Haltner vom Tiefbauamt des Kantons Thurgau schwärmt. Der Projektleiter lässt es sich nicht nehmen, als einer der ersten über die frisch sanierte Kantonsstrasse zu fahren. Dafür ist er an diesem Montagmorgen extra um 4.30 Uhr aufgestanden. Dies, nachdem die Belagsarbeiten termingerecht abgeschlossen und die Strassenmarkierungen angebracht worden waren. «Wir hätten nichts besser machen können», ist Patrick Haltner überzeugt.
Das Projekt hat viele Monate früher begonnen. Die 1,6 Kilometer lange Hauptverbindung zwischen den beiden Thurgauer Gemeinden Egnach und Salmsach war in die Jahre gekommen. 1979 zum letzten Mal saniert, wies sie erhebliche Belagsschäden auf. Verformungen, die eine Gefährdung der Verkehrssicherheit zur Folge hatten. Die Krux: Auf der Strecke zwischen Arbon und Kreuzlingen passieren täglich über 16’000 Fahrzeuge diesen spezifischen Strassenabschnitt. «Es ist eine der meistbefahrenen Kantonsstrassen», führt Patrick Haltner aus. «Wir mussten eine Lösung finden, die möglichst geringe Auswirkungen auf den Verkehr haben würde.»
Der Kanton Thurgau wagte die schnellste, in der Ausführung aber auch heikelste Variante: die Sanierung in drei Tagen während einer Totalsperre, was 1,6 Kilometer Belagseinbau und rund 2400 Tonnen Asphalt an einem Tag bedeutete. «Die Alternative wäre eine Ausführung in Etappen mit Lichtsignal gewesen. Dies hätte eine Baustelle von mehreren Monaten zur Folge gehabt.»

«Wir mussten eine Lösung finden, die möglichst geringe Auswirkungen auf den Verkehr haben würde.»
Patrick Haltner, Projektleiter Kanton Thurgau

«Wir setzen alles daran, dass wir den engen Terminplan einhalten, auch wenn das Wetter nicht ganz mitspielt. Das schnellere Bauen mit Einstreuschicht ist hier von grossem Vorteil. Sonst würden die Arbeiten einen Tag länger dauern, und die Strasse wäre an zwei Wochentagen gesperrt. Bei einem so ambitionierten Projekt mit 1,6 Kilometern Einbau an einem Tag ist eine Totalsperre Voraussetzung, damit wir freie Bahn haben und der Ablauf reibungslos funktioniert.»
Marco Rossi, Cellere Bau AG, Bauführer

Drei Tage Vollgas
In der Nacht auf den Freitag, 13. Oktober 2023, geht es los. Die Umleitung wird signalisiert, die Schranken um Punkt 5.30 Uhr geschlossen. Ab jetzt übernehmen die Strassenbauprofis. Es gilt, keine Minute zu verlieren. «Der Stress hält sich in Grenzen», sagt Alexander Kaufmann, Projektleiter bei Wälli AG Ingenieure. «Die Strassenbauer von der Arbeitsgemeinschaft der beiden Baufirmen Cellere Bau AG und Morant AG sind gebrieft, und der Verkehrsdienst steht bereit.»
Zwei-Meter-Fräsen fahren auf. Mit ihnen beginnen die Arbeiter, den alten Belag abzutragen. Wie mit einer riesigen Raffel hobeln sie den diesen ab. Acht Zentimeter sollen es bis zum Abend sein. «Wir ersetzen nur die obersten Schichten. Das ist ein gängiges Verfahren, das den Vorteil hat, dass wir weniger Material verbrauchen», erklärt der Ingenieur von Wälli. Das Ausbruchmaterial wird direkt auf Lastwagen verladen, die es zum MOAG-Werk in Mörschwil transportieren, wo es später als Recyclingmaterial wiederverwendet werden wird.
Währenddessen schreiten die Arbeiten voran. «Jeder auf dem Platz weiss ganz genau, was er zu tun hat. Wir verschwenden absolut keine Zeit», sagt Alexander Kaufmann. Der erste Tag ist bald geschafft, die Materialbilanz: 2200 Tonnen Ausbruchasphalt.
Den Samstag nutzen die Arbeiter, um die Strasse nass zu reinigen und eine Bitumenemulsion aufzubringen. Wie ein Leim dient sie als Haftverbund zwischen dem Gesteinsuntergrund und dem neuen Belag. Schliesslich werden die Kontrollschächte angepasst und wo nötig abgedeckt. Viele kleine Puzzlesteine, die es ermöglichen, dass der Belagseinbau am Sonntag reibungslos funktioniert.
Alles steht bereit. Und doch macht sich bei Patrick Haltner langsam aber sicher Nervosität breit: «Mich beschäftigt das Wetter. Ich kann diese Sanierung nicht verschieben. Einige Geschäfte haben am Freitag extra zugemacht. Alle wollen am Montag eine befahrbare Strasse haben. Nun heisst es Augen zu und durch.»
«Unsere Firma liegt direkt an der Kantonsstrasse. Wir haben darum alle Lieferungen auf Donnerstag vorverlegt. Das kann man gut organisieren. Es ist viel einfacher, als wenn wir drei Monate lang eine Baustelle vor dem Firmengebäude gehabt hätten. Ich wohne gleich hier in der Nähe. So bin ich hergekommen, um beim Einbau zuzuschauen und Fotos zu machen. Was diese Männer in diesen drei Tagen leisten, ist absolut beeindruckend. Besser könnten sie es nicht machen.»
Alfred Wüst, Ventra Technik AG, Verwaltungsratspräsident

«Ich bin jetzt seit über 17 Jahren im Strassenbau und habe ein solches Projekt noch nie erlebt. Dass wir die Binderschicht und gleich anschliessend die Einstreuschicht aufbringen, ist schon etwas Besonderes. Ich bin selbst überrascht, wie gut es klappt. Ich kontrolliere den Asphaltverbrauch und bin mit dem MOAG-Werk in ständigem Kontakt, damit es die Produktion genau auf den Bedarf dosieren kann. Die Zusammenarbeit läuft hervorragend, alle sind motiviert und gut drauf.»
Adrian Stäheli, Cellere Bau AG, Chefpolier


«Zu den grössten Herausforderungen zählen die Organisation der Verkehrsumleitung und der vorgängige Fluss an Informationen – an das ansässige Gewerbe und die Anwohner. Das Zusammenspiel aller beteiligten Unternehmen verlangt eine minutiöse Planung, insbesondere aber auch die Wertschätzung der Leistung jedes Einzelnen. Es ist nicht selbstverständlich, dass alle am Sonntagmorgen so motiviert dastehen. So macht es Spass zu arbeiten.»
Alexander Kaufmann, Wälli AG Ingenieure, Projektleiter


«Ich war neugierig und wollte vor Ort selbst schauen, wie das Projekt läuft. Die schiere Menge an Asphalt, die wir hier an einem einzigen Tag verbauen, ist aussergewöhnlich. Und es ist halt immer wieder spektakulär, wenn unsere Männer und Maschinen am Werk sind. Das finden offenbar auch die Anwohnerinnen und Anwohner. Es freut mich, dass so viele von ihnen hier sind und zuschauen.»
Alexander Morant, Morant AG, CEO

Text: Carmen Püntener, Bilder: Bodo Rüedi