Sanierung auf Kurs

    Präzision, Effizienz, eine minutiöse Planung und ein unschlagbares Team: Sie sind erforderlich, wenn ein so komplexes Projekt wie die Sanierung der Stadtautobahn in St.Gallen ansteht. Bis 2027 sollen die Hauptarbeiten abgeschlossen sein. der asphaltprofi hat die zweite Etappe begleitet.

    Samstag, 5. Juli 2025, 18.15 Uhr
    In St.Gallen Winkeln dröhnen die Fräsen. Es sind wahre Ungetüme, in deren Innern Walzen mit hartmetallenen Meisseln rotieren und die obersten Schichten des Strassenbelags aufbrechen. Für den Ausbau des gut 2000 Quadratmeter grossen Abschnitts müssen einige Abendstunden reichen. Denn bereits am nächsten Tag folgt der Einbau. Andreas Leuener überwacht als stellvertretender Baustellenchef den Fortschritt der Arbeiten. «Auf diesem Abschnitt entstanden seit der letzten Sanierung 2001 beträchtliche Spurrinnen, die bis in die Binderschicht hinabreichen. Darum fräsen wir sowohl die Deck- als auch die Binderschicht aus», erklärt der Bauingenieur. Die Arbeiten finden grösstenteils an Wochenenden und nachts statt, wie Andreas Leuener ausführt: «Wir müssen die verkehrsarmen Zeiten ausnutzen.» So auch in Winkeln, wo für gewöhnlich Einkaufsfreudige, Fussballfans und Zulieferer sowohl über die Autobahnausfahrt als auch über die Zürcher Strasse die Tiefgaragen des Stadions und des Shoppingcenters ansteuern.

    Der Abschnitt vor dem Stadion gehört zum ASTRA-Perimeter, weil der Verkehr eng mit den Ein- und Ausfahrten der Autobahn verknüpft ist. «Es ist eine einfache Etappe ohne Einlenker und Kreuzungen», sagt Andreas Leuener. Auch darum kommen die Arbeiten zügig voran.
    Dort, wo der Belag bereits ausgefräst ist, übernehmen die Putzmaschinen. Zuerst wird das liegen gebliebene Gestein zusammengewischt, dann wird alles mit Hochdruckreinigern abgewaschen. Rechtzeitig für die nächste Equipe, die frühmorgens bereitsteht.

    Die Sanierung der Stadtautobahn
    Mit den Sanierungsarbeiten an der St.Galler Stadtautobahn im Sommer wurden die geplanten Abschnitte der zweiten Etappe termingerecht abgeschlossen. Dazu gehören der Anschluss Winkeln sowie der Schoren- und der Rosenbergtunnel. In den Tunneln haben die Verantwortlichen neben dem Einbau des lärmmindernden Deckbelags auch ein neues Lüftungskonzept umgesetzt. Die Sicherheit wurde durch kürzere Fluchtwege erhöht und die Lärmschutzverkleidung erneuert. Die Sanierungsarbeiten dauern voraussichtlich bis 2028.

    «Wir müssen die verkehrsarmen Zeiten ausnutzen.»

    Andreas Leuener,
    Stellvertretender Baustellenchef

    Andreas Leuener,<br />
Stellvertretender Baustellenchef

    Sonntag, 6. Juli 2025, 7.30 Uhr
    Seit einer guten Stunde laufen die Belagsarbeiten in Winkeln auf Hochtouren. Genauso viel Material, wie gestern ausgebaut wurde, kommt heute als neuer Belag rein. Knapp 600 Tonnen Mischgut produziert das MOAG-Team in Mörschwil an diesem Sonntag, fünf Asphalttransporter pendeln zwischen Mörschwil und St.Gallen. «Die Zusammenarbeit läuft ausgezeichnet», sagt Andreas Leuener. «Ich kenne das ganze Team persönlich, und bei der MOAG gibt es praktisch keine Ausfälle. Gerade für grosse Baustellen ist dies sehr wichtig, denn so können wir sorgenfrei planen.»

    Es ist bereits das 15. Wochenende in diesem Jahr, an dem die Teams der MOAG und der Bauunternehmen für die Stadtautobahn im Einsatz stehen. «Wir konnten den Plan bisher optimal umsetzen. Das Wetter war uns gnädig gestimmt, sodass wir fast nichts verschieben mussten», sagt Andreas Leuener.

    Das Zeitfenster ist trotzdem eng. Reguläre Fussballspiele, Fussball-EURO, Open Air St.Gallen, CSIO: Wenn Grossveranstaltungen stattfinden, müssen die Arbeiten ruhen. «Immerhin befinden wir uns in einem Industriegebiet», ergänzt Andreas Leuener. «Wenn keine Events stattfinden, ist hier am Samstag ab 18 Uhr nichts mehr los, und wir haben freie Bahn.»

    Die Routine übernimmt nach kurzer Zeit das Zepter, auch in dieser Frühschicht. Keine Hektik, kein harsches Wort, nur kurze Zurufe. Jeder weiss genau, was er zu tun hat – und wie: mit dieser speziellen Lässigkeit nämlich, die Strassenbauern eigen ist.

    Bereits am Nachmittag erscheint das Team der Strassensignalisation auf dem Platz und bringt die Markierungen auf der neuen Fahrbahn an. Ein weiterer Abschnitt des Grossprojekts ist erfolgreich abgeschlossen.

    «Es braucht einen genauen Zeitplan und eine schlaue Verkehrsführung.»

    Cedric Schneider, Bauführer

    Cedric Schneider, Bauführer

    Samstag, 12. Juli 2025, 23.00 Uhr
    Am Folgewochenende ist der Deckbelag im Rosenbergtunnel an der Reihe. Die Röhre in Fahrtrichtung Zürich steht seit 20 Uhr still, der Verkehr wird durch die zweite Röhre geleitet. Punkt 23 Uhr fährt der erste Lastwagen von St.Fiden rückwärts durch den 1,4 Kilometer langen Tunnel. Er hat einbaufertiges Mischgut geladen, die erste Fuhre von insgesamt 820 Tonnen.

    Weil die Laster ihre Ladung im Tunnel nicht kippen können, sind Spezialfahrzeuge im Einsatz, sogenannte Abschieber. Mit einer Vorrichtung wird das Mischgut von deren Ladefläche in den Fertiger gestossen.

    Cedric Schneider, der Bauführer auf Platz, rechnet nach den ersten 200 Metern den theoretischen Verbrauch für die ganze Strecke und die Einbaugeschwindigkeit aus. «Wir sind mit 3,5 Metern pro Minute unterwegs», stellt er fest. «Das muss ich wissen, um mit dem MOAG-Team in Mörschwil zu koordinieren, wie viel Belag in welcher Geschwindigkeit produziert und abgeholt wird.»

    «Es braucht einen genauen Zeitplan und eine schlaue Verkehrsführung, wenn eine Tunnelröhre ganz geschlossen wird», betont der Bauingenieur. «Denn an einem normalen Tag fahren mehr als 72’000 Autos durch den Rosenberg.»

    Damit die Genauigkeit beim Belagseinbau auch im Tunnel gewährleistet ist, sind auf den Fertigern grosse Lichtballone angebracht. Trotzdem sind die Arbeitsbedingungen anstrengend. Die Asphaltdämpfe und der Lärm fordern. Dazu kommt, dass die Arbeiten im Tunnel noch exakter ausgeführt werden müssen als anderswo. «Die Randsteine und Entwässerungsrinnen sind hier aus Polymerbeton und somit etwas spröder», erklärt Cedric Schneider. «Eine falsche Bewegung am Lenkrad und ein Stück ist weg. Darum brauchen wir Top-Leute als Walzenführer.»

    Während die zwei Fertiger Meter für Meter gutmachen, verdichten die sechs Walzenführer den neuen Belag. Bis 5 Uhr morgens muss auch diese Deckschicht eingebaut sein. Denn ab 11 Uhr wird hier der Verkehr wieder fliessen.

    Bis zu 52 Maschinen pro Arbeitstag

    2400 Pläne wurden erstellt

    150 Arbeiter sind zu Spitzenzeiten pro Tag im Einsatz

    Gesamtbudget: CHF 550 Millionen

    10,4 Kilometer Strecke wird saniert, davon rund 30 Prozent in Tunneln

    Text: Carmen Püntener, Bilder: Beat Belser