Material mit viel Potenzial
Alten Asphalt entsorgen? Auf keinen Fall! Ausbruchasphalt ist ein wertvoller Rohstoff, der recycelt werden kann – und zwar mehrfach. Allerdings muss dafür das alte und rissige Bitumen wieder fit gemacht werden. Wie das am besten gelingt, hat ein gemeinsames Forschungsprojekt von Universitäten in Deutschland und Österreich sowie der Empa untersucht.

Bei der MOAG werden 99 Prozent des angelieferten Ausbauasphalts wiederverwertet.

«Immer wiederkehrendes Recycling ist möglich.»
Michael P. Wistuba, TU Braunschweig
Asphaltrecycling ohne Grenzen?
Neben der Auffrischung von Bitumen beschäftigte ein weiterer Aspekt die Forschungsgruppe. Es wurde bereits Asphalt der zweiten Generation verbaut. In absehbarer Zeit wird er wieder ausgebaut und ein drittes Mal verwendet. «Darum fragten wir uns: Ist irgendwann Schluss mit dem Wiederverwenden?»
Im Labor wurde der Alterungsprozess von Asphalt simuliert, der Altasphalt mehrfach wiederverwendet und die Gebrauchseigenschaften der Recyclingmischungen aufwendig geprüft. «Unsere Ergebnisse zeigen, dass altes Material immer wieder mit frischem vermischt werden kann – und zwar ohne Qualitätseinbussen», sagt Michael P. Wistuba. «Weltweit konnten wir zum ersten Mal systematisch nachweisen, dass immer wiederkehrendes Recycling möglich ist.
Die grösste Herausforderung ist allerdings, das alte Bindemittel, das am Gestein haftet, wieder zu reaktivieren. Für die Verjüngung braucht es frisches Bitumen und oft auch weitere Zusatzstoffe. Der Forscher mahnt hier zur Vorsicht: «Einige dieser Zusätze funktionieren am Anfang, aber dann kommt es zu einer raschen Alterung des Bindemittels.» Zudem sei der Markt für diese Produkte kaum reguliert.

«Ziel ist es, den Baustoff 20, 30 oder sogar 50 Jahre zu nutzen.»
Peter Bodmer, ViaTec AG
Modernes Messverfahren
Umso wichtiger ist es darum, den Alterungsprozess des Bindemittels möglichst genau zu kennen. «Oft werden noch die gleichen Prüfverfahren wie vor 100 Jahren angewendet, obwohl wir heute ganz andere Bindemittel haben. Darum arbeiteten wir mit modernen rheologischen Verfahren mithilfe des Dynamischen Scherrheometers», sagt der Projektleiter. Damit kann die Viskosität (Zähigkeit) des Bitumens bei verschiedenen Temperaturen und Belastungsdauern geprüft werden. «Mit diesem Werkzeug ist das Verjüngen keine Hexerei mehr», betont der Forscher. Auch in der Praxis findet das Verfahren Anklang. Im ViaTec-Labor in Winterthur steht seit zwei Jahren ein Dynamisches Scherrheometer. Peter Bodmer ist von dieser Messmethode überzeugt – und nicht nur er: «Unterdessen prüfen ganz viele Kantone mit dieser Methode, denn sie ist einfach, hochpräzise und kostengünstig.»
Praxisnaher Leitfaden für die Branche
Das Team rund um Michael P. Wistuba hat aus den Forschungsergebnissen einen Leitfaden für die Strassenbaubranche erstellt. Der Guide schlägt eine systematische Vorgehensweise vor zur Prüfung und Freigabe von Rezepturen mit hohen Recyclinganteilen. «Mit dieser einfachen und praxisnahen Systematik lässt sich nachweisen, dass eine neue Rezeptur die geforderten Eigenschaften gemäss Typprüfung erfüllt», bestätigt Peter Bodmer.
Der Leitfaden kann über die Website des Schweizerischen Verbands der Strassen- und Verkehrsfachleute (VSS) bezogen werden. Bis jetzt erhält er von der Branche allerdings nur wenig Beachtung. «Völlig zu Unrecht», finden die beiden Asphaltexperten. «Der Guide ist ein gutes Werkzeug, um Gewährleistungsansprüchen zu entgehen. Wer seinen Baustoff im Detail kennt, kann Schaden abwenden und Risiko minimieren», sagt Michael P. Wistuba, und Peter Bodmer ergänzt: «Die Herstellung von Asphalt setzt CO2 frei. Umso wichtiger ist es, den Baustoff möglichst lange im Kreislauf zu behalten und ihn 20, 30 oder sogar 50 Jahre zu nutzen.
Dass dies ohne Qualitätseinbussen möglich ist, hat das länderübergreifende Forschungsprojekt bewiesen. Nachhaltigere und langlebigere Strassen sind keine Vision mehr. Jetzt liegt es an der Branche, das Recyclingpotenzial von Ausbruchasphalt voll auszuschöpfen.
Text: Fabienne Frei, Bilder: Daniel Ammann