Die perfekte Mischung

    Grosse Verkehrsaufkommen, hohe Temperaturen oder Schadstoffe: Unsere Strassen sind täglich grossen Belastungen ausgesetzt. Damit sie möglichst lange intakt bleiben, überwacht die MOAG die Qualität des Asphalts genau. Das ist nicht nur wichtig für die Verkehrssicherheit, sondern dient auch der Nachhaltigkeit. Zu Besuch in einem Labor für Baustoffprüfungen und Asphaltanalysen.

    Mittels Siebverfahren wird das Mischgut im Labor nach Korngrösse getrennt und die Anteile von Füller, Sand und Splitt werden bestimmt.

    Anfang August ist es ruhig auf den Strassen. Es sind die letzten Tage der Schulferien. Wer kann, liegt irgendwo am Strand oder geniesst ein paar Tage in den Bergen. Wenig Verkehr – eine optimale Bedingung, um Unterhaltsarbeiten durchzuführen oder Strassenbeläge einzubauen. Der Sommer bringt darum nicht nur den Strassenbau­firmen viel Arbeit, sondern auch allen Instituten, die Baustoffprüfungen durchführen und die Qualität des Asphalts kontrollieren.

    Eines dieser Institute ist die ViaTec AG in Winterthur. Das Labor befindet sich in einem unscheinbaren Gebäude am Rand von Oberwinterthur, in der Nachbarschaft das Technorama, eine Strassenbaufirma und eine grosse Autogarage. Peter Bodmer steht in einer Halle zwischen Bohrkernen und Asphaltproben. «Hier werden die Proben von den Baustellen und den Mischgutwerken angeliefert. Jede wiegt um die 15 Kilogramm», sagt er. Peter Bodmer ist Bauingenieur und Geschäftsführer der ViaTec AG. Die Firma hat er vor 20 Jahren aus einem Management-Buy-out he­raus gegründet. Heute beschäftigt er zwölf Mit­arbeitende, darunter ein Ingenieur, eine Ingenieurin und ein Baustoff­prüfer. Das restliche Team besteht aus Quereinsteigern, die intern ausgebildet wurden. Allen gemeinsam ist das handwerkliche Geschick und ein ausgeprägtes Flair für strukturiertes und sorgfältiges Arbeiten im Labor.

    Peter Bodmer öffnet die Tür. Es riecht nach warmem Asphalt. Gerade «zerlegt» ein Mitarbeiter eine Asphaltprobe in ihre Ausgangsstoffe, also in Gesteinskörnung und Bitumen. Die Extraktion des Bindemittels ist heute vollautomatisch möglich – mit Asphaltanalysatoren: «Sie funktionieren wie eine Waschmaschine», erklärt Bodmer. «Die Asphaltprobe kommt in eine Trommel, wird im Analysator erwärmt, mit Lösungsmittel gewaschen und zentrifugiert. Nach zwei Stunden haben wir das Bitumen extrahiert.»

    «10 Prozent sind Theorie, 90 Prozent sind Erfahrung.»

    Peter Bodmer, Geschäftsführer ViaTec AG

    Moderne Analysemethoden
    Nach der Rückgewinnung steht die Analyse des Bindemittels an. Der Erweichungspunkt wird mit dem Ring-und-Kugel-Verfahren untersucht, die Härte mit der Nadelpenetration. Beide Methoden gibt es seit Jahrzehnten. Hochmodern ist dagegen das Analysegerät im nächsten Raum. Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein überdimensionierter Kaffeevollautomat. Das dynamische Scherrheometer (DSR) ist die neueste Prüfmethode für Bitumen. Ein Labormitarbeiter legt gerade eine vorbereitete Bitumenprobe, in Farbe und Grösse vergleichbar mit einem Lakritzbonbon, unter einen Stempel. Dieser drückt auf das Bitumen und dreht sich dabei vor und zurück. Geprüft wird so die Viskosität (Zähigkeit) des Bitumens bei verschiedenen Temperaturen. Peter Bodmer ist von der DSR-Analyse begeistert: «Es ist eine einfache, hochpräzise und kostengünstige Materialprüfung, die sehr aussagekräftig ist. Von der Viskosität des Bitumens kann man auf viele Eigenschaften des Asphaltbelags schliessen.»

    Neben dem Bindemittel werden auch die Mineralstoffe analysiert. In einem Raum, der  an eine Grossküche erinnert, steht ein Labormitarbeiter an einem grossen Chromstahltresen und wiegt Mischgut ab. Auf einem Regal stapeln sich Töpfe, an der Wand sind verschiedene Öfen aufgereiht, Siebe mit unterschiedlichen Lochgrössen sind zu einem Turm aufgestapelt. Mittels Siebverfahren wird das Mischgut nach Korngrösse getrennt und die Anteile von Füller, Sand und Splitt werden bestimmt – auf 0,1 Gramm genau. So wird überprüft, ob das Mischgut mit den Sollwerten in der Deklaration übereinstimmt. Je nach Nutzung und Verkehrslast braucht es eine andere Zusammensetzung. Doch die richtige Wahl ist knifflig: «10 Prozent sind Theorie, 90 Prozent sind Erfahrung», sagt Peter Bodmer, der sein Wissen auch als Dozent am Campus Sursee an Vorarbeiter und Poliere weitergibt.

    Zu den Kunden der ViaTec AG gehören der Bund, Kantone, Gemeinden, Strassen- und Tiefbaufirmen sowie Mischgut- und Recyclingunternehmen. Seit acht Jahren arbeitet auch die MOAG mit dem Labor zusammen. Georg Klein, Leiter Qualitätssicherung bei der MOAG, tauscht sich regelmässig mit Peter Bodmer aus. Denn jedes der fünf MOAG-­Werke hat rund 150 verschiedene Rezepturen im Angebot. Und auch in der Produktion wird laufend kontrolliert.

    Das soll sich künftig ändern. Die neue Anlage kann mehr Recyclingmaterial verarbeiten, sodass der Anteil von wiederverwendetem Asphalt von heute 38 Prozent auf 65 Prozent wachsen wird. Möglich macht das der Einbau einer Gegenstrom-Paralleltrommel oben im Mischturm. Die Anlage wurde dafür von 20 Metern auf 28 Meter aufgestockt. Philip Schifferle steht unter der Trommel und erklärt die Funktionsweise: «Während das Rec­­y­clingmaterial früher durch einen Gasbrenner erwärmt wurde, wird es neu mit einem Heissgaserzeuger erhitzt. Dadurch werden die Emissionen stark reduziert.» So kann die MOAG jährlich einige Tonnen CO₂ einsparen. Die modernisierte Anlage ist nicht nur umweltschonender, sondern auch effi­zienter. Statt 200 Tonnen pro Stunde können zukünftig 250 Tonnen pro­duziert werden. Ausserdem lassen sich mehr Mischungen vorbereiten, da neu zehn Verladesilos mit einem Fassungsvermögen von circa 500 Tonnen Mischgut zur Verfügung stehen. «Davon profitieren unsere Kunden, denn nun können wir in den Stosszeiten die Lkw rascher abfertigen», sagt Anlagenchef Markus Brändle und erwähnt eine weitere Verbesserung: Bisher gab es einen kleinen Puffersilo zum Einlagern des Recyclingmaterials. Neu können zwei grosse Puffersilos mit «Vorrat» gefüllt werden. «So sind wir bei der Mischgutproduktion flexibler, können den Arbeitstag besser einteilen und müssen nicht regelmässig über Mittag arbeiten», sagt Markus Brändle. Kosten­punkt der neuen Anlage: über acht Millionen Franken.

    Dafür ziehen die MOAG-Mitarbeiter jeweils nach rund 500 Tonnen eine Probe. «Die werkseigene Produktionskontrolle garantiert uns und unseren Kunden, dass wir Mischgut in gleichbleibender, einwandfreier und hoher Qualität produzieren», sagt Georg Klein.

    Qualitätskontrolle auf der Baustelle
    Auch den Einbau des Asphalts überwacht die ViaTec AG. An diesem Morgen wird auf einer Kantonsstrasse in Schlatt, einer kleinen Gemeinde östlich von Winterthur, ein neuer Deckbelag eingebaut. Das Walzenspiel rollt über den schwarzen Asphaltstreifen, es vibriert. Peter Bodmer stellt einen Kasten, an dessen Unterseite ein silber­farbiger Teller befestigt ist, auf den frischen Belag. Mit diesem Messgerät kontrolliert er den Verdichtungsgrad des Belags. «Die Verdichtung muss genau stimmen. Sonst verformt sich später die Fahrbahn oder sie ist anfälliger auf Witterungseinflüsse, was zu einer Reduktion der Lebensdauer führen kann», erklärt der Bauingenieur. Wurde zu stark oder zu wenig verdichtet, gibt es nur eine Möglichkeit: Der Belag muss weggefräst und neu eingebaut werden. Eine teure Angelegenheit. «Der Belagseinbau ist für ein Strassenbauunternehmen finanziell gesehen eine Hochrisikoarbeit», sagt Georg Klein.

    «Wir kontrollieren unser Mischgut ähnlich akribisch wie Blutkonserven.»

    Georg Klein, Leiter Qualitätssicherung, MOAG AG

    Neben der Verdichtung kontrolliert die ViaTec das Mischgut auf der Baustelle. 170 Tonnen Asphalt, ange­liefert aus dem MOAG-Werk Uzwil, werden für den 400 Meter langen Strassenabschnitt benötigt. Peter Bodmer steht neben dem Fertiger und füllt Probe­material in zwei Karton­boxen. Der Bauherr – in diesem Fall der Kanton Zürich – hat eine Deckschicht AC 8 H mit Polymer-Bitumen verlangt. DasBitumen enthält Kunststoffe, die den Belag alterungs- und witterungs­beständiger machen. «Ein Hightech-Belag», ergänzt Georg Klein. Als letzte Qualitätskontrolle wird der Bauherr Bohrkerne aus der fertigen Strasseentnehmen und so die Stärke der verschiedenen Schichten, ihre Verklebung und die Verdichtung überprüfen.

    Recyclingasphalt in Topqualität
    Zurück im Labor in Winterthur. Dank der stetigen Überprüfung des Mischguts – von den Rohstoffen über die Produktion bis zum Einbau – halten die Strassen länger. «Die Qualitätskontrolle dient also auch der Nachhaltigkeit», bilanziert Geschäftsführer Peter Bodmer. Nachhaltiger werden auch die verwendeten Materialien: Ein Forschungsprojekt hat kürzlich gezeigt, dass Asphalt mehrmals wiederverwendet werden kann – ohne Qualitätseinbussen. Die MOAG produziert seit über vier Jahrzehnten in allen Werken Recyclingasphalt. In Mörschwil holt sie seit drei Jahren aus dem Ausbruchasphalt zusätzlich Sekundärsplitt zurück. Die Qualität des so zurückgewonnenen Materials wird ebenfalls genau überwacht. «Wir kontrollieren unser Mischgut ähnlich akribisch wie Blutkonserven», sagt Georg Klein und lacht. Viele Kontrollen, die aber einen hohen Nutzen haben. Denn dank stetiger Überwachung, moderner Labortechnik und hochwertigem Mischgut rollt der Verkehr auf einwandfreien Strassen durch die Schweiz.

    Text: Fabienne Frei, Bilder: Beat Belser