«Ich bin hineingewachsen»

    In unserer Serie «Family Business» treffen wir Inhaberinnen und Inhaber von Bauunternehmen zum persönlichen Gespräch. Die interviewte Person bestimmt jeweils, wer als Nächstes Auskunft gibt, und stellt die erste Frage. In dieser Ausgabe ist Bernhard Frei von der Bernhard Frei AG an der Reihe. Er wurde von Arnold Frick nominiert.

    Er habe trotz seinem Werdegang eine eher wenig emotionale Bindung zum Bau, sagt Bernhard Frei nüchtern. Ist das provokativ gemeint – oder ein persönliches Bekenntnis? Nach gut 60 Minuten wird klar: Es ist einfach so. Denn Bernhard Frei nimmt kein Blatt vor den Mund. Weder wenn es um ihn selbst geht – eine gute Portion Selbstironie inklusive – noch wenn er über die Branche spricht, in der aus seiner Sicht ein Hang zur «Selbstkasteiung» herrscht. Ehrlich und ohne Umschweife beantwortet er unsere Fragen. Und konstatiert dabei, dass es, egal in welchem Geschäft, immer um die Menschen geht, die dafür «chrampfen».

    Bernhard Frei, wir starten mit der Frage von Arnold Frick. Der Fachkräftemangel im Bauwesen ist auch im Strassenbau ein Problem. Wie gehen Sie damit um?
    Wir akzeptieren es als Tatsache. Wer die Fachkräfte hat, gewinnt. So einfach ist das. Für uns ist es darum wichtig, dass wir Lernende ausbilden und ihnen früh Verantwortung übertragen. Damit erreichen wir, dass die Jungen selbst viel dazu beitragen, dass neue gute Leute zu uns kommen: Wenn es den Lernenden bei uns gefällt, weil wir sie fördern, spricht sich das in ihrem Freundeskreis herum.

    Was machen Sie, wenn sich doch niemand für eine offene Stelle findet?
    Wir haben mehrheitlich gute Erfahrungen mit Quereinsteigern gemacht. Ob es sich um Baustellenpersonal handelt, das aus verwandten Berufen wie Gartenbauer, Schreiner oder Installateur seinen Weg in unsere Unternehmung findet, oder um Kadermitarbeiter, die beispielsweise über die Projektierung und die Bauleitung zu uns stossen. Am wichtigsten ist, dass die Person als Mensch in unser Team passt.

    Sie leiten die Firma zusammen mit Ihrem Bruder André. Wie teilen Sie sich die Arbeit in der Chefetage auf?
    André leitet den Bereich Spezialtiefbau. Da geht es um Grundwasserabsenkungen, um Anker und Pfähle sowie Baugrubenabschlüsse. Mein Bruder ist auf diesem Gebiet eine Koryphäe. Ich hatte bis vor Kurzem beim konventionellen Tief- und Strassenbau den Lead. Diesen Part habe ich vor einem Jahr abgegeben. Ich kümmere mich um die betriebswirtschaftlichen Aspekte, Kalkulation, Finanzen, Infrastruktur sowie ums Personal.

    Ihre Firma hat sehr weitreichende Erfahrungen mit unterschiedlichen Bodenbeschaffenheiten und Topografien. Wie fliesst das bei Strassenbauprojekten mit ein?
    Beim Strassen- und Tiefbau geht es schlussendlich immer um den Untergrund, auf dem man baut. Es ist darum ein grosser Vorteil, wenn man sich mit der Bodenbeschaffenheit auskennt.

    Bernhard Frei AG
    Die Parkplatzeinfahrt ist leicht zu übersehen. Mitten in einem Widnauer Wohnquartier, noch immer dort, wo Grossvater Bernhard 1942 das Geschäft lancierte, befindet sich die Bernhard Frei AG. Zur Gründungszeit lagen rundherum Wiesen und Äcker. Das Rheintal befand sich im Aufschwung: Das Riet wurde entwässert und in nutzbares Land umgewandelt. Diese Meliorationsprojekte waren lange der Hauptgeschäftszweig der Bernhard Frei AG. Nach dem Krieg folgten Aufträge fürs Militär, und mit der Zeit kamen der Kanal- und Leitungsbau sowie der Strassenbau hinzu. In den 1990er-Jahren folgte der Einstieg in den Spezialtiefbau. Heute wird das Unternehmen mit rund 60 Mitarbeitenden in dritter Generation von den Brüdern André und Bernhard Frei geführt.

    Die meisten Menschen haben keine Ahnung davon, was alles in den Böden steckt, über die sie gehen. Gibt es manchmal auch Aha-Effekte bei den Bauherren?
    Ja, die kommen sogar erschreckend häufig vor. Wir haben schon viele Bauherrschaften erlebt, die auf ihrem Baugrund im wahrsten Sinne des Wortes auf die Nase gefallen sind. Sie kommen dann zu uns mit der Bitte, dass wir das wieder richten. Oft ist es so, dass zu wenig sorgfältig geplant wurde.

    Macht dieses Spezialwissen die Bernhard Frei AG unschlagbar?
    Unschlagbar vielleicht nicht gerade, das wäre ja zu schön! Unsere Firma ist aber vor allem ein recht gut funktionierendes Gesamtkonstrukt. Eines, in dem alle Zahnräder gut ineinandergreifen.

    Und wie tickt die Firma auf der menschlichen Ebene?
    Ich würde behaupten, dass wir subtiler und auch sozialer agieren als manch andere Unternehmung. So bieten wir einzelnen Personen einen Arbeitsplatz, die sich aufgrund ihres Alters oder ihrer Gesundheit im Arbeitsmarkt schwertäten. Und wir unternehmen grosse Anstrengungen im Bereich Ausund Weiterbildung. Zum Sozialen gehört für mich zudem, dass wir uns dem Druck der Branche nicht unreflektiert beugen. Wir bleiben nach Möglichkeit selektiv bei der Akquisition von Aufträgen. Zu viele schöne Projekte werden von den Unternehmungen unterpreisig «eingekauft», was unsere Branche nachhaltig schädigt. Dies geschieht oft aus fehlendem kaufmännischem Grundwissen oder aber aus Budgetdruck.

    Bernhard Frei, *1966, stieg eher spät, im Alter von 49 Jahren, in den Familienbetrieb ein. Als er nach verschiedenen beruflichen Stationen – unter anderem als Tunnelbauer und als Bauführer – in seinem vorherigen Job als Niederlassungsleiter für einen grossen Baukonzern «die Reissleine zog», wie er selbst sagt, rief ihn sein Bruder André in den elterlichen Betrieb. Seither führen sie die Bernhard Frei AG im Doppelpack.

    Zu Ihnen persönlich: Warum sind Sie in der Baubranche gelandet?
    Ich bin, so wie mein Vater und mein Bruder, in die Branche hineingeboren. Ich war am Gymnasium, habe die Schule aber abgebrochen und eine Lehre als Tiefbauzeichner absolviert. Im Büro sitzen und den ganzen Tag «nur» Pläne zeichnen – das war aber nicht wirklich mein Ding. So ergriff ich die Flucht nach vorn, machte eine Zusatzlehre als Strassenbauer im elterlichen Betrieb und absolvierte die Bauführerschule in Aarau. So kam ich zum Tunnelbau. Diese Zeit hat mich beruflich und persönlich stark geprägt. Doch leider bringt diese Arbeit ein unstetes Privatleben mit sich. Alle Kollegen waren geschieden! Das wollte ich für mich nicht. So ging ich als Bauführer im Strassenbau für ein paar Jahre nach Zürich.

    Haben Sie diesen Schritt nie bereut?
    Nein, bereut habe ich ihn nie. Trotzdem hinterfrage ich ihn bis zum heutigen Tag! Denn ich habe sehr viele weitere Interessen. So denke ich oft, dies oder das wäre auch spannend gewesen. Natürlich lebe ich den Bau – das schon. Ich lebe ihn aber mit einer gewissen Distanz. Schlussendlich geht es darum, gute Arbeitsplätze zu bieten, langfristig rentabel zu geschäften und zufrieden zu sein.

    Was ist Ihr Führungsansatz in Ihrer heutigen Position?
    Fingerspitzen- und Bauchgefühl. Und ein gutes Mass an Konsequenz. Ich möchte meinen Mitarbeitenden Erfolge und Weiterentwicklung ermöglichen. Auch darum habe ich einem langjährigen Mitarbeiter die operative Führung im Strassen- und Tiefbau übertragen. Er hatte die nötige Erfahrung, Reife und Ausbildung.

    Sie scheinen vor allem an das Gute im Menschen zu glauben. Was nervt Sie an anderen?
    Ein übertriebener Geltungsdrang. Und wenn Leute permanent am Handy hängen. Wenn ich dann auch noch zuhören muss, wie viel davon teilweise leeres Geplapper ist, werde ich sichtbar sauer.

    Haben Sie selbst eine besondere Geschichte zum Asphalt?
    Als Kinder sind wir oft auf dem Werksgelände und sogar auf Baustellen herumgetollt. Wir haben uns einen Spass daraus gemacht, barfuss über frisches Bitumen und frischen Splitt zu hüpfen. Das Resultat? Ein zwei Zentimeter dicker Strassenbelag an den Füssen, der fast nicht mehr wegzukriegen war. Unser Vater steckte uns dann abends in die Badewanne und schrubbte unsere Füsse ab.

    Und was begeistert Sie abseits der Arbeit?
    Wo soll ich anfangen? Ich interessiere mich fürs Reisen, fürs Kochen, für Wein, Wandern, Autos, Flugzeuge, Politik, für die Natur und … die Arbeit!

    Wer soll als Nächstes interviewt werden?
    Thomas Toldo.

    Und welche Frage haben Sie an ihn?
    Wie positionierst du dich als Betriebswirtschafter unter den Bauleuten?

    Herzlichen Dank für das Gespräch.

    Interview: Carmen Püntener, Bilder: Daniel Ospelt